Das kleine Stadtporträt – Schkeuditz
31. Mai 2023 | Lesezeit: ca. 6 Minute(n)In unserer Serie stellen wir verschiedene Städte aus dem MDV-Gebiet vor. Dafür setzen sich unsere Autoren in Bus oder Bahn, machen sich ein lebensnahes Bild der Stadt und geben Tipps für alle, die auch einmal dorthin fahren möchten. Dieses Mal besuchen wir Schkeuditz. Die Stadt mit rund 18.500 Einwohnern und Einwohnerinnen liegt auf halbem Weg zwischen Halle und Leipzig und ist vielen Reisenden als Standort des Flughafens Halle/Leipzig bekannt.
Es ist das besondere Privileg kleiner Städte an großen Flughäfen und wichtigen Autobahnkreuzen, etwas vom Hauch der weiten Welt abzubekommen. Schkeuditz ist eine solche, sagen wir, kleinere Stadt. Aber was heißt klein schon, wenn sich eine Poetry-Slam-Gruppe nach einem benennt und das Tor zur Welt quasi vor der Haustür liegt und? Apropos liegt. Wer Schkeuditz besucht, also nicht am Flughafen aussteigt, sondern am Bahnhof Schkeuditz selbst, dem liegt die Stadt quasi zu Füßen. Wäre Schkeuditz ein Kätzchen, hätte es sich zwischen dem riesigen Airport im Norden und der sanften Senke, durch die das Flüsschen Weiße Elster fließt, bequem eingemummelt. So liegt die Stadt vor einem. Also nicht direkt wie ein Kätzchen, schon wie eine Stadt, aber doch irgendwie reizend. Vom Zug aus führt die schnurgerade Bahnhofstraße einen Berg hinab in die Innenstadt.
Erfreulicherweise stehen im Stadtgebiet seit neuestem Fahrräder und E-Lastenräder von nextbike zur Verfügung. Man muss also nur aufs Rad steigen und sich den Hügel hinabrollen lassen. Eine wunderbare Sightseeing-Tour! Nein, historische Sehenswürdigkeiten sind auf der Strecke nicht direkt geballt, aber etwas, was mindestens ebenso wertvoll ist: ein lebendiger Eindruck einer Stadt im Wandel.
Rollen wir einfach mal los und blicken dabei nach vorn und zurück. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die heutige Bahnhofstraße nichts als ein Feldweg, auf dem man zu den nördlichen Dörfern von Schkeuditz gelangte. Gleich zur Linken lag dort einst ein Schindanger, so steht es in der Stadtchronik geschrieben. Wie Ihr als historisch bestens orientierte Leser und Leserinnen wisst, wurden dort ehedem tote Tiere gehäutet und Kadaver verscharrt. Kein schöner Ort also. Heute dagegen stellen die Bürger und Bürgerinnen von Schkeuditz hier in Reihengaragen ihre Autos ab und putzen sie am Wochenende heraus. So sieht zivilisatorischer Fortschritt aus.
Industrie statt Schindanger in Schkeuditz - die Zeiten ändern sich

Mit dem Bau der Eisenbahn nebst Eisenbahnstation bekam der Weg ab 1840 eine größere Bedeutung für die Stadt und es siedelten sich erste Industriebetriebe an. Allerdings mussten die Menschen noch bis 1873 nach Regenschauern durch wahre Schlammwüsten waten, wenn sie die Bahnhofstraße passierten. Mit der Bahn und der Industrie kam freilich auch bald Kaufkraft nach Schkeuditz und die Gaststätten, die kaiserliche Post, Schneider, Metzger und derlei mehr Geschäfte folgten. Und weil Kundinnen und Kunden sich gemeinhin ungern durch Schlamm schleppen, wurde die Straße schließlich gepflastert, Bürgersteige wurden angelegt und sogar Kugelakazien gepflanzt.
Ohne die Kennerschaft ausgewiesener Baumexpert*innen beanspruchen zu wollen, wirken die heutigen Bäume links und rechts der Straße nicht direkt wie Kugelakazien. Eher wie Platanen. Und auch sonst ist die Bahnhofstraße ein Spiegel des Wandels der Zeit. Wo einst Kutscher in Gasthöfen Unterkunft fanden, werben heute Pensionen auf großflächigen Plakaten mit möblierten Business-Apartments für Beschäftigte des Flughafens. Dem Betrachtenden lächelt ein selbstbewusster Pilot mit Pilotenbrille, Pilotenkoffer und tadelloser Pilotenuniform entgegen und erinnert daran, dass sich hier eines der größten Luftfrachtdrehkreuze Europas befindet.
Und schon sind wir im Zentrum angekommen. Und das, ohne auch nur ein einziges Mal in die Pedale unseres Leihfahrrades getreten haben zu müssen.
Extrem internationale Küche
Das Zentrum von kleineren Städten hat oft etwas Rührendes. Wieso das denn nun wieder? Nun, weil es zeigt, welche Bedürfnisse menschliche Gemeinschaften haben, mögen sie auch noch so klein sein. Da sind Blumengeschäfte, weil wir Schönheit und Natur gern haben, da ist das Nagelstudio, der Friseur und ein Barbier, weil wir auch schön sein wollen, da ist eine Anwaltskanzlei, weil es auch mal Streit gibt und eine Apotheke, um unsere Schmerzen zu lindern, aber auch ein Eiscafé fürs Seelenwohl. Und dann ist da zum Beispiel das Nova Pizza Haus, das zeigt, wie Kulturen erfolgreich verschmelzen können. Nova und Pizza lassen zunächst die Vermutung naheliegend erscheinen, dass es sich um eine Pizzeria handelt. Ist es auch. Aber längst nicht nur. Denn das Pizzahaus in Schkeuditz ist zugleich, das verkündet die Außenwerbung, ein Ort, in dem die indische, die deutsche, die türkische, die griechische, die chinesische, die französische, die italienische und ja, sogar die mexikanische Küche eine ebenso faszinierende wie harmonische Genussgemeinschaft eingehen. Liebevoll geführt und geordnet wird diese übrigens von einem sehr freundlichen Angehörigen der indischen Sikh-Gemeinschaft, der in Sachen Portionsgröße offensichtlich über ein tiefes Verständnis der deutschen Sehnsucht nach kulinarischer Üppigkeit verfügt.
Echt üppig hier

Wo wir gerade von Üppigkeit sprechen: Schkeuditz ist mit üppigem Grün gesegnet. In der Innenstadt mit dem Stadtpark und drumherum mit der wunderbaren Elsteraue, dem Auwald, den Lehmlachen und natürlich dank diverser Kleingartenanlagen, die die Herzen ihrer Pächter und Pächterinnen jedes Jahr aufs Neue aufblühen lassen. Hier hört man die Spatzen an ruhigen Nachmittagen ihre Lieder singen. Vielleicht streiten sie auch oder erzählen sich einfach nur den neuesten Spatzentratsch, aber auch das ist eine liebenswerte Besonderheit dieser überschaubaren Städtchen, die nicht direkt Zentrum, sondern eher Peripherie sind. Rein geografisch versteht sich.
Bei Astronomen, Astronominnen und hobbymäßigen Sternguckern ist das Astronomische Zentrum Schkeuditz – bestehend aus Planetarium und Observatorium – über die Region hinaus nämlich gleichermaßen bekannt. Von hier aus kann man in klaren Nächten tief, so tief in den Kosmos schauen und damit viele, viele Lichtjahre in die Vergangenheit. Man kann Sterne entstehen und vergehen sehen, den Mars, den Mond, die Venus und die Milchstraße betrachten. Und danach spaziert oder radelt man wieder durch das nette Schkeuditz, in dem die Menschen sich nun langsam bettfein machen und die Spatzen schweigen und irgendwo ein Flugzeug brummt, das irgendwen weit wegbringt oder auch nach Haus.
Anfahrt nach Schkeuditz
11
135, 217
207, 724
S3
Destinationen in Schkeuditz
Astronomisches Zentrum Schkeuditz
Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2023 und der Sternenhimmel ist für Kinder und Erwachsene so spannend wie eh und je. Im Astrozentrum in Schkeuditz könnt Ihr einen tiefen Blick ins Universum werfen. Mit altersgerechten Programmangeboten, die an die faszinierenden Phänomene der Astronomie heranführen, weckt die Sternwarte den Forschergeist der Besucher*innen. Bei verschiedenen Veranstaltungen besteht zudem die Möglichkeit, echte Astronauten oder Astronautinnen zu treffen oder einen Astronautenführerschein zu machen. Bei so tollen Angeboten kann man nur noch sagen: Beam me up, Scotty!
Leipzig/Halle Airport
Ihr müsst nicht unbedingt abheben, um den Flughafen Leipzig/Halle kennenzulernen. Bei den beliebten Airport-Touren erhaltet Ihr spannende Einblicke in die Abläufe und hinter die Kulissen von Flughafen, Flughafenfeuerwehr, Abfertigung und vielen anderen interessanten Ecken des Airports. So könnt Ihr etwa bei einer Nacht-Tour die beleuchtete Start- und Landebahn aus nächster Näher betrachten und bei der Airport-Schlemmer-Tour den Ausblick sowie ein feines Essen genießen.
Restaurant Schillerstuben
Da wir den besonderen Charme vom Nova Pizza Haus ja schon ausführlich beschrieben haben, empfehlen wir hier mit dem Restaurant Schillerstuben ein Lokal der eher gehobenen kulinarischen Klasse. Seit mehr als 20 Jahren bewirtet das Team um Chefkoch Miroslav Drahokoupil seine Gäste in einer restaurierten Villa am ruhigen Ortsrand von Schkeuditz. Verschiedene renommierte Restaurantführer loben die Schillerstuben zu Recht als Kleinod der kulinarischen Verwöhnung.
Bildquelle: Shutterstock
Weitere Artikel
Stöbere im MDV-Magazin für weitere interessante Artikel: