Döllnitzbahn: Mit dem „Wilden Robert“ durchs sächsische Heideland
8. November 2024 | Lesezeit: ca. 5 Minute(n)Die Döllnitzbahn ist eine alte Schmalspurbahn, die bis heute regelmäßig die knapp 19 Kilometer zwischen Oschatz und Glossen bzw. Kemmlitz fährt. Ihren Spitznamen „Wilder Robert“ verdankt sie der Legende nach einem ihrer Lokführer, der für seinen rasanten Fahrstil bekannt war. Die Geschichte der Döllnitzbahn ist eng mit der Geschichte der Region verknüpft. Und so ist eine Fahrt mit der Döllnitzbahn immer auch eine Fahrt durch die Kulturlandschaft, die sie mitgeprägt hat. Wer ihren besonderen Charme spüren will, sollte selbst einmal auf den grünen Sitzen in den nostalgischen Wagen Platz nehmen oder sich den Fahrtwind an den offenen Wagenübergängen um die Ohren pfeifen lassen.
Einsteigen bitte!
Es ist ein sonniger Tag, perfekt für eine Ausfahrt mit der Döllnitzbahn. Die Wagen der Schmalspurbahn stehen schon auf dem Gleis neben dem Oschatzer Bahnhof, als wir aus dem RE 50 steigen. Dieser hat uns von Leipzig in die Kreisstadt an der Döllnitz gebracht. Oschatz liegt genau auf halber Strecke zwischen Leipzig und Dresden.
Jetzt aber schnell. In vier Minuten ist Abfahrt. Doch irgendwas fehlt. Ah, die Lok ist noch nicht angehangen. Unser Zugbegleiter auf der heutigen Fahrt wirkt sichtlich nervös. Wir fragen nach, warum die Abfahrt sich verzögert. „Ja, leider braucht die Lok heute an der Wasserstation etwas länger. Das ist äußerst selten“, erzählt Michael Otto und ergänzt schmunzelnd: „… und auch ein bisschen peinlich, weil wir ausgerechnet heute Fahrgäste an Bord haben, die für die Schweizer Bundesbahnen arbeiten.“ Uns soll es egal sein. So haben wir Zeit, uns den „Wilden Robert“ einmal genauer anzusehen.
Exkurs: Geschichte der Döllnitzbahn
1885 fuhr der erste Zug der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn auf der Strecke Mügeln – Oschatz. Mit dem Ausbau der Bahn kam auch der wirtschaftliche Aufschwung in die Region um Mügeln. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung betrug die Gesamtlänge des Streckennetzes rund 70 Kilometer. Hauptsächlich transportierte die Bahn landwirtschaftliche Güter wie Zuckerrüben oder das Gestein Kaolin. Dieses wird überwiegend in der Porzellanproduktion verwendet und noch bis heute in Kemmlitz abgebaut. Seit 2001 wird das Kaolin allerdings nicht mehr mit der Döllnitzbahn transportiert.
Ab Mitte der 1960er-Jahre mussten etliche Strecken stillgelegt werden. 15 Jahre später stellte die Döllnitzbahn dann den Personenverkehr komplett ein und fuhr auf der Strecke von Oschatz nach Kemmlitz nur noch Güterfracht – zu Spitzenzeiten über 360.000 Tonnen Kaolin im Jahr.
Eisenbahnromantik mit Fahrtwind im Gesicht
Schließlich fährt er los, der „Wilde Robert“. Dampfend und pfeifend zieht die Dampflok der berühmten sächsischen "IV K-Serie" den Zug langsam auf die Strecke. Die Chemnitzer Maschinenfabrik R. Hartmann baute Ende des 19. Jahrhunderts diesen Lok-Exportschlager für 750 Millimeter Spurbreite in Serie. Mit 96 Stück war sie damit die meistgebaute Schmalspurdampflokomotive in Deutschland.
Zugbegleiter Michael Otto ist aufgrund der Verspätung sichtlich ins Schwitzen gekommen. Für ihn ist das aber kein Grund, die gute Laune zu verlieren. Freundlich geht er durch die offenen Abteile, kontrolliert Fahrkarten und beantwortet Fragen. „Ich arbeite ehrenamtlich für den Förderverein „Wilder Robert“. Eigentlich unterrichte ich an einer Oberschule.“
Kurz vor der Wende hat Michael Otto selbst einmal Lokführer auf Rangier- und Güterzügen gelernt. Das ist lange her. Geblieben ist seine Liebe zur Eisenbahn. Seit 15 Jahren fährt er jetzt schon auf der Döllnitzbahn – im Schnitt einen Tag im Monat. Auf die Frage, was ihn an dieser Arbeit fasziniert, antwortet er: „Ich mag den Kontakt mit den Fahrgästen und dieses Klacken, wenn die Wagen über die Schienenstöße fahren. Außerdem bin ich ein Eisenbahnromantiker. Mein Lieblingsmoment auf der Strecke ist, wenn ich abends auf dem letzten Zug zwischen Thalheim und Naundorf in den Sonnenuntergang über den Feldern fahre.“
Sagt er, knipst die Fahrkarte und schon spricht er mit dem nächsten Fahrgast. Wir stellen uns jetzt auf die Plattform am Wagenübergang und lassen uns den Fahrtwind ins Gesicht wehen. Langsam schnaufend schiebt sich die Bahn durch Oschatz. Sie ist ein echter Hingucker. Viele Menschen an der Strecke winken und freuen sich über die alte Dampflok.
Jetzt fährt die Bahn schon zügiger aus der Stadt heraus und die Landschaft wird grüner. Die Strecke folgt der namensgebenden Döllnitz. Kurz vor Naundorf lassen wir den Fluss rechts liegen und fahren vorbei an Feldern und Wiesen – ein herrliches Panorama. Nach 40 Minuten Fahrt erreichen wir Mügeln und nach einer Viertelstunde Pause geht es weiter nach Glossen.
Exkurs: Von der Patenschaft zur Döllnitzbahn GmbH
Die Döllnitzbahn war und ist für die Menschen in der Region von großer Bedeutung. Nach dem Mauerfall setzte sich der Landkreis Oschatz dafür ein, den „Wilden Robert“ zu erhalten. 1991 gelang es ihm, die gesamte Bahnstrecke Oschatz – Mügeln – Kemmlitz unter die Patenschaft des Deutschen Bahnkundenverbandes (ehemals „Pro Bahn“) zu stellen. Das ist ein Fahrgastverband, der im Sinne der Fahrgäste und Bahnkunden des Personen- und Güterverkehrs positiv Verkehrs- und Eisenbahnpolitik beeinflussen möchte.
Ende 1993 gründete sich dann die Döllnitzbahn GmbH und übernahm die Geschäfte von der Deutschen Reichsbahn der DDR. Mittlerweile ist die Döllnitzbahn in den Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) integriert und ein fester Bestandteil des Öffentlichen Nahverkehrs in der Region. Vor allem Schülerinnen und Schüler und Touristinnen und Touristen nutzen sie beinahe täglich.
Unser Tipp: Sonderfahrten mit der Döllnitzbahn
Alle regulären Fahrpläne und Sonderfahrten findet Ihr übersichtlich auf der Webseite der Döllnitzbahn. Ein jährlich stattfindendes Highlight im Kalender sind beispielsweise die Glühweinfahrten zwischen Weihnachten und Silvester oder die Gruselfahrten zu Halloween.
Beliebt ist auch das Bahnhofsfest im September. Hier präsentieren die Veranstalter zahlreiche Gastlokomotiven unterschiedlicher Gattungen.
Schaut unbedingt mal vorbei!
Ein nostalgischer Vormittag geht zu Ende
Nach einem kurzen Aufenthalt in Glossen nutzen wir die Chance und fahren direkt wieder zurück nach Oschatz. So bekommen wir noch rechtzeitig den RE 50 nach Leipzig. Ein nostalgischer Vormittag neigt sich dem Ende und wir sind sicher, dass wir für die ein oder andere Sonderfahrt mit dem „Wilden Robert“ noch mal nach Oschatz zurückkommen werden. Oder einfach nur, um uns die Schmalspurbahn im Bahnhof Oschatz-Süd als Modell anzuschauen.
Die Fahrten mit der Döllnitzbahn erfolgen zum MDV-Tarif. Am Wochenende wird bei Dampfbetrieb ein Dampfzuschlag pro Fahrt und Person erhoben. Alle Infos gibt es auf der Website der Döllnitzbahn.
Bildquellen
Dampffahrten: Rainer Kurth
sonstige: Texterkolonie und MDV
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