Mit dem PlusBus unterwegs in Zeitz in Sachsen-Anhalt
Das kleine Stadtporträt
10. Januar 2023 | Lesezeit: ca. 8 Minute(n)In unserer Serie stellen wir verschiedene Städte aus unserem großen und vielfältigen Verbundgebiet vor. Dafür setzen sich unsere Autor*innen in Bus oder Bahn, machen sich ein lebensnahes Bild der Stadt und geben Tipps für alle, die auch einmal dorthin fahren möchten. Dieses Mal besuchen wir Zeitz. Die Stadt mit rund 27.000 Einwohner*innen liegt im Burgenlandkreis südlich von Halle und Leipzig und ist vor allem für das Schloss Moritzburg bekannt.
Es ist schon eigenartig. Bei Menschen wie bei Städten. Es gibt welche, über die wird dies oder das gesagt und wenn man sie dann mit eigenen Augen sieht, denkt man sich: Oho! So ist es auch mit Zeitz. Es ist noch gar nicht so lange her, da war Zeitz, eine der ältesten Städte Deutschlands, in der überregionalen Presse als Geisterstadt bekannt. Immer weniger junge Menschen. Immer mehr verfallene und verfallende Häuser, ja Straßenzüge. Jobs? Kaum vorhanden. Zuzug? Schön wär’s. Zeitz war sozusagen die Verkörperung der sich leerenden Mittelstadt. Ein Gespenst, wenn man so will. Aber wie es mit Gespenstern so ist: Wenn man sie sucht, sind sie plötzlich weg. Zeitz ist da keine Ausnahme.
Es beginnt schon am Bahnhof. Sehr gepflegt, eine schöne Halle im Jugendstil und vor allem: viele Menschen, auch junge Menschen, und natürlich alle irgendwohin unterwegs. Zum Beispiel mit der neuen PlusBus-Linie 500 in Richtung Innenstadt. Also eingestiegen und geschaut, was kommt.
Das neue Leipzig
Das mit der Geisterstadt war natürlich nur eine Schlagzeile. Aber: Sie hat einen wahren Kern. Tatsächlich hatte Zeitz sehr lange ernste demografische Probleme. Der wichtigste Arbeitgeber aus der Braunkohle verschwand schneller als neue Jobs und neue Branchen nachwachsen konnten. Die jungen Menschen zogen, wie immer schon, dorthin, wo es Jobs gab. Aber dann tat sich etwas.
Nennen wir es einen kreativen Funken in eher dunkler Stimmung: Menschen aus der Kunstszene, die viele Ideen und nicht ganz so viel Geld hatten, erkannten in Zeitz das, was man vor 10, 15 Jahren in Leipzig erkannte. Deshalb sagen manche heute auch, Zeitz sei eine Art neues Leipzig.
Eine Stadt, in der es verglichen mit teuren Metropolen unglaublich günstigen Wohnraum und alte Bausubstanz gab, die schnell aufblühte, sobald sie wieder mit ein wenig Leben gefüllt war. Und die über eine sehr schnelle Zugverbindung nach Leipzig verfügt!
Die Linien 301, 302, 303 und die besagte Linie 500 halten in der Innenstadt. Von hier aus lässt sich Zeitz wunderbar erkunden. Eines der Häuser, das mit neuem Leben erfüllt wurde, ist zum Beispiel die alte Bibliothek, oder besser gesagt das Kunsthaus Zeitz. Denn das prächtige Gebäude aus der Zeit der Jahrhundertwende ist eben keine leerstehende Bibliothek mehr, sondern ein Haus, in dem die Kultur und der kulturelle Austausch u. a. in Form von vielerlei Veranstaltungen lebt. Eine Keimzelle des Neustarts also.
Natürlich lebt keine Stadt alleine von seiner Kultur, aber ohne Kultur lebt auch keine Stadt. Nur Einkaufsstraßen, nur Handyshops, nur Supermärkte, nur Gastronomie reicht eben nicht. Das wussten und wissen die Menschen in Zeitz. Man erkennt es etwa daran, dass es zwei Theater gibt. Das Neue Theater Zeitz und das Theater im Capitol. Letzteres befindet sich im Herzen der Altstadt. Von Shakespeare bis Bibi Blocksberg wird dem Publikum hier einiges geboten.
Aber auch im ganz normalen Leben bietet sich Unterhaltsames. Zwei Herren, sagen wir Anfang 50 der eine, Ende 40 der andere (gemessen an ihrem Habitus, der lässigen Kleidung und den Vokuhila-Frisuren könnten sie aber auch ihre eigenen Söhne sein) schlendern laut diskutierend durch die hübsche, durchaus belebte und schmucke Fußgängerzone.
Sie betrachten die Aushänge der örtlichen Bank mit Immobilienangeboten und sind offenbar zufrieden mit dem, was sie sehen.
Ein Kompliment aus Österreich
50er Mann: Seea gud!
40er Mann Ja wiaglich!
Seltsam, denkt man sich. Sprechen die Menschen hier in der Gegend so einen Dialekt?
50er Mann: Wends dös sigst, dia Immobreise!
40er Mann: In Östareich gibt’s dös net!
50er Mann: Und schee is a! (Schön ist es auch!)
Aha! Österreicher also. Man würde nun nicht direkt vermuten, dass die beiden Immobilienhaie sind, sie haben eher etwas von sympathischen Lebenskünstlern. Aber es gefällt ihnen offenbar hier, was man durchaus als großes Kompliment sehen darf. Wer weiß, denkt man sich, vielleicht sind die zwei berühmte Künstler aus Wien, die hier in Zeitz ein neues Zentrum für ihr Schaffen gesucht und gefunden haben.
Eine ältere Dame, die hinter dem Schaufenster eines Friseurs unter der Trockenhaube sitzt, blickt auf, sieht die Österreicher lacht freudig und winkt ihnen. Sie winken zurück. Sie sind also schon bekannt und beliebt in der Stadt. Das ist sehr schön. Zeitz ist eben nicht nur attraktiv für kreative Auswanderer und Auswandererinnen, sondern auch auf die liebste Art weltoffen, nämlich die in Gestalt einer lieben Oma auf dem Friseurstuhl.
Chancen schöner nutzen
Im nächsten Augenblick sind die Österreicher verschwunden. Servus, mochts guat.
Aber es gibt schon wieder einen neuen Augenschmaus. Einen nostalgischen. Am eindrucksvollen Altmarkt, gleich neben dem Rathaus, steht ein wunderschönes, herrschaftliches Gebäude mit hohen Fenstern, einer prunkvollen Fassade, davor stimmungsvolle Bäume.
Was sich im Gebäude tut oder ob sich darin etwas tut, kann man nicht erkennen. Kein Schild gibt Auskunft. Dafür aber der freundliche Apotheker aus der Schwanenapotheke vis-a-vis. Eine Bank war das früher also. Und jetzt? Jetzt kann man sich für zweierlei entscheiden.
Man kann das alte, leerstehende Gebäude als Zeichen des Verfalls und des Niedergangs sehen. Oder man sieht es als Chance. Als wunderschönen Raum, der, wenn man ihn mit ein wenig Hingabe und Ideen füllt, zu ganz neuem Leben erweckt werden kann. Das ist das Großartige an dieser Stadt. Es gibt so viele Möglichkeiten! Zum Beispiel auf dem Zekiwa-Areal, wo früher Kinderwagen für die ganze DDR gebaut wurden und in Zukunft ein Teil vom Neuen Europäischen Bauhaus entstehen soll.
Aber was es vor allem gibt, ist der Optimismus der Zeitzer*innen, das Anpackende und den festen Willen, nicht in einen Dornröschenschlaf zu versinken, sondern aus Herausforderungen Chancen zu machen. Das ist der Geist, den man in Zeitz findet, und deswegen wird die Stadt auch niemals eine Geisterstadt werden.
Mehr über Zeitz und seine Zukunftspläne erfahrt Ihr im Interview mit Oberbürgermeister Christian Thieme.
Neuer Busbahnhof: Im Dezember 2022 wurde der neue Zeitzer Busbahnhof eröffnet. Die barrierefreien Haltestellen können nun bis zu acht Busse unabhängig voneinander anfahren.
Bildquelle: Texterkolonie
Anfahrt nach Zeitz:
RE 12, RB 22, RB 76
500, 820, 580
301, 302, 303
Destinationen in Zeitz
Kloster Posa
Schon seit über 900 Jahren kann man von hier aus die Aussicht genießen. Natürlich hat sich das, was man von dem Hügel sieht, auf dem das ehemalige Kloster Posa steht, im Lauf der Jahrhunderte stark verändert. Und es gibt auch keine Mönche mehr, die im Jahr 1114 einzogen und im 16. Jahrhundert im Zuge der Reformation das Weite suchten. Danach verfiel das Kloster und das Gelände lag brach. Jedenfalls fürs Erste.
Im 17. Jahrhundert wurde die Ruine abgetragen. Die Bruchsteine fanden beim Bau der Zeitzer Moritzburg Verwendung. Danach wurde das Kloster als staatliche Domäne weitergeführt, wo es bis ins Jahr 1998 vor sich hinschlummerte. Seitdem begrüßen die Weinanlage Kloster Posaer Klosterberg mit dem Weinhof Kloster Posa und der Verein Kultur – und Bildungsstätte Kloster Posa e. V. die Besucher und Besucherinnen mit herrlichem Wein und Veranstaltungen zu diversen Themen und Kunstformen.
Gastronomie: Restaurant Alt Zeitz
Es gibt Lokale, bei denen denkt man: Hierfür wurde der Begriff "gutbürgerlich" geprägt. Ein solches Lokal ist das Alt Zeitz. Der Name sagt es schon: Hier gibt es keine neumodischen Namensspielereien, hier setzt man auf Tradition, Gemütlichkeit und, ja, auf das, was schon den Generationen vor uns schmeckte. Bratkartoffeln, Geschnetzeltes, feiner Fisch, Filets, Schnitzel, Braten mit Klößen … Wir könnten die Liste noch um so manche Leckerei ergänzen und das Wasser würde uns dabei im Munde zusammenlaufen. Aber bekanntlich ist das beste Mittel gegen derlei Erscheinungen, dass man sich dem Genuss hingibt. Wir empfehlen Ihnen also, ins Alt Zeitz mit seinem rustikalen Interieur zu spazieren und es sich schmecken zu lassen. Guten Appetit!
Alt Zeitz
Brüderstraße 10
06712 Zeitz
Schlosspark Moritzburg
Ein Park für alle und für alles. So könnte man den Schlosspark Moritzburg in Zeitz nennen. Für alle, die gerne Spielplätze erobern, Blumen mögen, Tischtennis, Volleyball oder Schach spielen, klettern, eine Schwäche für Kultur haben und natürlich für Hochzeitspaare samt Fotograf*innen, ach, sagen wir einfach für alle, die einen Sinn für Schönheit und Entspannung haben. Zwischen prächtigen Blumenbeeten, Japanischem Garten, ruhigen Parkanlagen und verspielten Wasserläufen findet jede*r einen Platz. Immer mitten drin: das Zeitzer Schloss Moritzburg, das seine Gäste regelmäßig zu Konzerten, Festen und Ausstellungen einlädt.
Schlosspark Moritzburg Zeitz
Badstubenvorstadt 17a
06712 Zeitz
Unterirdisches Zeitz
Also das ist jetzt wirklich unterirdisch! Ganz genau sogar bis zu 12 Meter tief unter der Erde. Denn so tief musste man im Mittelalter das Bier lagern, damit es schön kühl blieb. Und weil die Menschen in Zeit sehr gerne Bier tranken, sind die Gänge der alten Bierlagerstätten im weichen Bundsandstein unter der Altstadt von Zeitz beeindruckende 700 Meter lang. Unter Leitung des Vereins IG Unterirdisches Zeitz können Interessierte das beeindruckende unterirdische Highlight in einer ca. 45-minütigen Führung erleben.
Interessengemeinschaft "Unterirdisches Zeitz" e.V.
Altmarkt 21
06712 Zeitz
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