Mehr als die Summe ihrer Teile: der Trend multimodale Mobilität

3. November 2023 | Lesezeit: ca. 6 Minute(n)
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Wer multimodal unterwegs ist, nutzt verschiedene Verkehrsmittel, wie zum Beispiel Bus, Bahn, Fahrrad, E-Roller oder Carsharing. Je nach Wetter, Lust oder Tagesform. Dieser Ansatz hat das Potenzial, das Mobilitätsverhalten grundlegend zu verändern und bietet gleichzeitig Lösungen für aktuelle Umweltprobleme.

Mit dem Fahrrad zum Sport, mit dem Bus zur Arbeit und zu Familienbesuchen per Bahn – das ist multimodale Mobilität. Werden für einen Weg verschiedene Verkehrsmittel miteinander kombiniert, spricht man von intermodaler Mobilität, einem Spezialfall der Multimodalität.

Auch Autos können Bestandteil sein. Meist als Sharing-Angebote, also mit der Devise: nutzen und teilen, nicht besitzen. Multimodale Mobilität ist damit der Gegenentwurf zur privaten Pkw-Nutzung. Die sieht meist so aus: einsteigen, fahren, aussteigen. Das ist höchst individuell, das eigene Auto ist ja jederzeit verfügbar und deshalb für viele Menschen besonders bequem. Mit einem großen Aber: Private Pkw stehen überwiegend ungenutzt herum, verursachen trotzdem laufende Kosten und versiegeln öffentliche Flächen. Bei multimodaler Mobilität hingegen steht die tatsächliche Nutzungsszeit der Sharing-Fahrzeuge im Vordergrund, dementsprechend sind auch die Kostenmodelle gestaltet.

Multimodale Mobilität: vernetzt gedacht, kann sie das Auto ersetzen

Dazu kommt: Der motorisierte Individualverkehr hat Folgen wie Luftverschmutzung und Klimawandel. Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen entstehen im Verkehr, insbesondere durch die private Mobilität. Dann die Verkehrsdichte: Vor allem in urbanen Gebieten sorgen Autos für Staus, Zeitverlust und Stress. Der Bedarf an Straßen und Parkplätzen nimmt sehr viel Raum ein und fehlt an anderer Stelle, beispielsweise für Grünflächen und Wohnungsbau. Und weil Pkw im Alltag kaum ausgelastet sind – durchschnittlich sitzen 1,5 Personen rund eine Stunde am Tag darin – werden mehr Fahrzeuge benötigt, mehr Raum verbraucht und mehr Emissionen freigesetzt als eigentlich notwendig.

Ein starker ÖPNV, Carsharing, Ridepooling, Shared-Mobility-Angebote wie E-Roller und Leihräder: Einzeln sind diese Mobilitätsformen für viele Menschen keine Alternative zum Pkw. Aber wenn sich öffentlicher und Individualverkehr mischt, können sie das sein. Dann bieten sie Mobilität von Tür zu Tür. Günstig, flexibel und mit wenig Wartezeit zwischen den Umstiegen. Und: Sind Züge, Busse, Roller oder Mietwagen mit nachhaltigen Antrieben ausgestattet, kann multimodale Mobilität einen großen Beitrag leisten, die Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Aber wieso schafft die multimodale Mobilität trotz der Potenziale (noch) nicht überall den Durchbruch?

Betriebliches Mobilitätsmanagement MDV

Ein Grund ist das Festhalten am Auto. In einer ADAC-Umfrage zeigt sich, dass die Menschen zwar etwas für den Klimaschutz tun möchten. Sie nehmen sich etwa vor, verstärkt den ÖPNV zu nutzen und das eigene Mobilitätsverhalten zu ändern – ihr Umstieg soll aber "langsam und allmählich" sein. 70 Prozent geben zudem an, dass sie auch in Zukunft nicht auf das eigene Auto verzichten werden.

Was aber müsste passieren, damit die Menschen das eigene Auto öfter stehen lassen und auf Alternativen umsatteln? Das wollte die KfW-Bank wissen. Das Ergebnis: Rund 75 Prozent der Befragten würden mehr Bus und Bahn fahren, rund zwei Drittel öfter auf das Fahrrad steigen. Voraussetzung wären eine bessere Anbindung, eine höhere Verlässlichkeit und geringere Preise im ÖPNV sowie eine modernisierte Infrastruktur für Fahrräder. Also mehr Wege, mehr Leihangebote und sichere und trockene Abstellplätze.

All diese Argumente gelten für die Stadt, aber noch mehr für das Land, wo die multimodale Mobilität noch einen besonders weiten Weg vor sich hat. Die KfW fasst es so zusammen: Je ländlicher die Region, desto schlechter die Anbindung an Verkehrsinfrastrukturen, desto mehr Pkw besitzen Haushalte und desto häufiger werden sie auch genutzt. Ansätze sind nicht nur ein Ausbau der Mobilitätsangebote vor Ort, sondern auch der Daseinsvorsorge. Denn: "Regionen, in denen Haushalte eine überdurchschnittlich weite Distanz zu Supermarkt, Apotheke und Grundschule zurücklegen müssen, nutzen das Auto deutlich öfter als Haushalte, bei denen dies nicht der Fall ist", so die Studie.

Die Glieder einer Mobilitätskette müssen verbunden werden

In der Stadt hapert es weniger an Angebot und Ausbau. Das heißt aber nicht, dass es hier keine Baustellen gibt. Stichwort: Verzahnung. Das große multimodale und intermodale Mobilitätsversprechen ist, dass Teilstrecke auf Teilstrecke folgt, ohne viel Wartezeit dazwischen. Das bedeutet präzise aufeinander abgestimmte Fahrpläne, kurze Wege zu Car- und Bikesharing-Systemen und übersichtlich gestaltete Knotenpunkte. Die Verzahnung klappt nur, wenn Mobilität ganzheitlich organisiert wird.

Mobil und flexibel: Mit dem Handy geht multimodale Mobilität ganz einfach.

Das nennt das Zukunftsinstitut "vernetzte multimodale Mobilität". Und die Zukunftsforschenden sind sich sicher, dass sie eines Tages die Nachfrage bestimmen wird. Dafür müssen aber integrierte Mobilitätskonzepte entwickelt werden. Die Voraussetzung:  Mobilität darf nicht mehr in unterschiedlichen Verkehrsmitteln gedacht und angeboten werden, sondern entlang von Mobilitätsketten. Verkehrsmittel würden dann nicht mehr in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich ergänzen.

Bislang fehlt es dazu noch flächendeckend an Apps oder Plattformen, die alle Mobilitätsformen und -systeme an einem Ort zusammenführen. Nutzerinnen und Nutzer könnten dort komplette Reiserouten mit allen möglichen Mobilitätsoptionen erstellen und auch direkt ein Ticket für die gesamte Reise kaufen. Erste gute Beispiele gibt es aber bereits im MDV-Gebiet mit der App Leipzig.MOVE und der App movemix in Halle.

Bislang ist Mobilität vor allem Stückwerk

Das Problem: Zwar gibt es Apps, die mehrere Angebote unterschiedlicher Anbieter vereinen. Noch weisen sie aber Lücken auf und bilden nicht alle verfügbaren Optionen ab. Hinzu kommt, dass Nutzer und Nutzerinnen derzeit für jedes einzelne "Mobilitätsmodul" – ob E-Bike, Mietwagen oder Bus – ein eigenes Ticket kaufen müssen. Das ist umständlich und unübersichtlich.

In der Entwicklung integrierter Angebote liegt aber nicht nur eine Chance, sondern auch eine Gefahr. Davor warnt die Heinrich-Böll-Stiftung in dem Policy Paper "Digital in die Mobilitätswende". Dort heißt es, dass eine solche Anwendung attraktiver wird, je mehr Angebote es vereint. Aber: Das kann zur Monopolisierung führen. Würde das Monopol für Mobilität in privater Hand liegen, könnte es alle ökologischen und sozialen Potenziale multimodaler Mobilität zunichtemachen. Zum Beispiel, indem nur die Angebote angezeigt werden, durch deren Vermittlung die Anwendung den größten Gewinn erzielt.

Eine Evolution der Mobilität

Auch zur multimodalen Mobilität an sich gibt es noch offene Fragen. Beispielsweise führt das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) gerade eine Untersuchung durch, um zu verstehen, wie Verkehrssysteme in Städten idealerweise vernetzt sein sollten. Die Forscherinnen und Forscher sind sich sicher: Umstiege müssen möglichst einfach sein. Bislang ist aber überall zu beobachten, dass "zu einer Haltestelle gehörende Haltepunkte unterschiedlicher Verkehrsmittel räumlich distanziert angeordnet sind und somit ihre Verbindung nicht erkennbar ist". Dazu kommt, dass Fußwege "nicht ausreichend dimensioniert, sicher oder durch Barrieren schlecht zugänglich" sind. Das alles sind vergebene Chancen, vernetzte Verkehrsangebote für die Menschen zu einer echten Alternative zu machen.

PlusBus vor der Kirche Köhra

Noch steht die multimodale Mobilität vor vielen Herausforderungen – von der Infrastruktur über die gesellschaftliche Akzeptanz bis hin zur digitalen Integration an einem Ort. Doch die Notwendigkeit für einen Wandel ist unbestreitbar und die ersten Schritte in diese Richtung sind bereits gemacht. Dazu passt, was das Zukunftsinstitut schreibt: "Der Wandel vollzieht sich langsam, aber er ist grundlegend und tiefgreifend. Was wir erleben, ist eine Evolution der Mobilität."

Mut und Lust aufs Ausprobieren bekommen? Dann nichts wie los und einfach mal den Selbstversuch starten.

Bildequellen: Christian Hüller, Shutterstock


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