Neuer Betriebshof in Zeitz – Nachhaltigkeit hat bei der PVG Vorfahrt
18. Dezember 2023 | Lesezeit: ca. 6 Minute(n)Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und eine Heizung mit Erdwärme: Der neue Betriebshof der Personenverkehrsgesellschaft Burgenlandkreis mbH (PVG) setzt auf grüne Technologien. Anlass für die Modernisierung ist eine Katastrophe, die sich vor rund zehn Jahren ereignete.
Tagelange Regenschauer verwandelten die Weiße Elster in einen reißenden Strom. Deiche und Stauwehre aus Sandsäcken hielten nicht lange stand. Zuerst gingen Uferbereiche und Gartenanlagen unter, später drangen die Fluten bis in die Zeitzer Unterstadt vor. Drei Tage lang stieg das Wasser, bis es seinen Höchststand erreichte. Es überschwemmte Straßen, Keller und eben auch den Betriebshof der PVG. Das war 2013. Heute wird das Ereignis Jahrhundertflut genannt.
„Das Wasser war überall“, sagt PVG-Geschäftsführer Lutz Däumler. „Die Arbeitsgruben in den Werkstätten waren vollgelaufen. Der ganze Hof stand unter Wasser. Wir mussten alle Busse in Sicherheit bringen.“ Wie das aussah, zeigt ein Foto von damals. Darauf fährt ein Bus durch eine überschwemmte Straße, er schiebt eine Bugwelle dreckig-braunem Wassers vor sich her, die bis über seine Scheinwerfer reicht. Aber er konnte gerettet werden.
Moderner Betriebshof in neuem Gewand
Der wahre Schaden für die PVG zeigte sich erst Jahre später: Das Hochwasser war ins Fundament des Betriebshofs eingesickert, hatte es marode gemacht und unterirdische Leitungen abgerissen. Das Gebäude sackte ab. Die Statik war zerstört. Däumler und seine Kollegen und Kolleginnen sowie der Burgenlandkreis als Gesellschafter beschlossen deshalb 2019 alles abzureißen und den Standort von Grund auf wieder aufzubauen. Ihre Idee: ein moderner Betriebshof, der nachhaltig wirtschaftet. Dabei sollte das Gebäude etwas erhöht stehen und die Bodenplatte von unten gegen aufsteigendes Grundwasser versiegelt werden. Sicher ist sicher.
Bis im Mai 2023 der neue Betriebshof fertig war, operierte die PVG in Zeitz etwa zwei Jahre lang aus provisorischen Räumen heraus. Heute ist alles fertig. Im neuen zweistöckigen Gebäude ist die Verwaltung untergebracht, außerdem Umkleiden und Pausenräume für die Angestellten, die Werkstatt, die Waschstraße und die Kreisstraßenmeisterei. Daneben steht der riesige Carport, elf Spuren breit, vier Parkplätze pro Spur lang. Ein Dach auf Stelzen, unter dem nachts beinahe die gesamte PVG-Flotte aus Zeitz ruht. Mit Ausnahme der Schichtbusse. Die fahren in Doppelbesatzung, müssen morgens um 3:37 Uhr raus und kommen abends erst wieder um 22 Uhr rein. Sie parken immer im Hof, direkt vor der 50.000-Liter-Diesel-Tankstelle.
Das alles sieht Däumler, wenn er aus dem Fenster blickt. Er sitzt gerade im Schulungsraum des frisch eingeweihten Betriebshofs. Hier werden normalerweise die Busfahrer und Busfahrerinnen ausgebildet. In unserem Gespräch heute dreht sich alles um den Neubau. Dazu gibt es viel zu erzählen, deshalb hat der Geschäftsführer Verstärkung mitgebracht: Marcel Petzold, Betriebsstellenleiter in Zeitz, und Johannes Lisker, Kreisstraßenmeister.
Nachhaltigkeit dank Sonnenenergie und Erdwärme
Den Anfang macht Däumler: Ungefähr 15 Millionen Euro habe der Neubau gekostet; 12,8 Millionen stammten aus Fördermitteln des Fluthilfeprogramms. Der Rest wurde über einen Kredit finanziert. Zwar sei das neue Gebäude kleiner, dafür stecke es voller moderner Technologien. „Wir wollten die Energie, die wir verbrauchen, teilweise selbst gewinnen“, erklärt der 60-Jährige. Deshalb ist das Dach mit Photovoltaik bedeckt. Kapazität: 95 Kilowatt-Peak. In den Sommermonaten gewinnt die Anlage doppelt so viel Strom aus Sonnenenergie wie verbraucht wird. Der Überschuss geht ins öffentliche Netz.
Auch die Erdwärme wird genutzt. Wie genau, das zeigt Marcel Petzold. Dafür geht er nach draußen, läuft ums Gebäude herum und bleibt vor einem Parkplatz stehen. Er deutet auf die Autos der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die dort stehen. „Darunter verlaufen mehr als tausend Meter Rohre in Schleifen bis in eine Tiefe von 2,50 Meter“, beschreibt der 42-Jährige die Geothermie-Anlage. Darin zirkuliert Luft. Immer wenn sie hinabfließt, erwärmt sie sich um einige Grad Celsius. Denn: Nur wenige Meter unter der Erdoberfläche ist es wärmer – zumindest in der kalten Jahreszeit. Die Luft speichert die Erdwärme, steigt auf und treibt damit die Heizung des Betriebshofs an. Hat die Luft die Wärme abgegeben, beginnt der Kreislauf von vorne und sie heizt sich wieder auf. Erst wenn draußen Minusgrade herrschen, reicht Erdwärme allein nicht aus. „Dann können wir eine Gasheizung zuschalten“, sagt Petzold. Die moderne Technologie steht in einem unscheinbaren Gebäude neben dem Parkplatz: in der Energiezentrale. „Hier steht die Gastherme, hier kommt der Strom der PV-Anlage an, hier arbeitet die Luft-Wärmepumpe, in der die Energie aus der Geothermie in die Heizung fließt“, erläutert er weiter.
PVG und Kreisstraßenmeisterei arbeiten Hand in Hand
Nicht nur innovative Technologien machen den neuen Betriebshof aus. Er ist auch ein Ort der Synergien. So sitzt die PVG zusammen mit der Kreisstraßenmeisterei (KSM) unter einem Dach und ist gleichzeitig deren betriebsführende Gesellschaft. Was kompliziert und bürokratisch klingt, ist im Alltag ganz einfach. „Wenn eines unserer Fahrzeuge kaputt ist, reparieren wir es hier in der Werkstatt“, erklärt Johannes Lisker. Dafür nutzen beide Unternehmen gemeinsam die Betriebsstätte und die Werkstätten. Zwar sei seine Zentrale am neuen Standort kleiner als die alte, dafür könne sich nicht mehr so viel „Kram“ ansammeln. Dazu kommt: Die Wege seien kürzer und „natürlich macht die Optik echt was her. Alles ist ja ganz neu“, sagt er.
Der 36-jährige Kreisstraßenmeister führt durch die neuen Räume. Auf langen Regalen lagern hier unter anderem Werkzeuge, Rasenmäher, Kettensägen, Verkehrsschilder, Kabeltrommeln, Pylone und Ampeln. Lisker ist mit seinen rund 30 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für 120 Kreisstraßen zuständig. „Das sind knapp 400 Kilometer“, sagt er. Kernaufgabe im Sommer ist die Wartung und Unterhaltung der Straßen. Im Winter ist vor allem Schneeräumen angesagt.
Schritt in Richtung nachhaltiger ÖPNV
Auch wenn der Betriebshof erst wenige Monate alt ist, Pläne für die Weiterentwicklung des Unternehmens hat Lutz Däumler immer im Hinterkopf. Der Geschäftsführer steht im Hof und blickt auf die PVG-Fahrzeuge, die dort stehen und auf die nächste Schicht warten:
„Heute haben wir noch größtenteils Diesel-Busse im Einsatz. Aber perspektivisch wollen wir mehr nachhaltige Antriebe integrieren. Da kommt in meinen Augen nur Wasserstoff- oder Elektroantrieb in Frage.“
So oder so steigt der Stromhunger bei der PVG. Um ihn zu stillen, könne man auch noch das Dach des riesigen Carports mit Photovoltaik bebauen. „Ob das ausreicht, müsste man dann sehen“, sagt Däumler. Es wäre auf jeden Fall ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung eines emissionsfreien Personennahverkehrs. Mit dem neuen Betriebshof in Zeitz hat die PVG aber schon einen großen Satz gemacht.
Informationen zur PVG
Die Personenverkehrsgesellschaft Burgenlandkreis mbH ist ein kommunaler Mobilitätsdienstleister im öffentlichen Personennahverkehr. Rund 300 Menschen sind hier beschäftigt. Vorrangig werden Schülerinnen und Schüler befördert. Die PVG bedient die drei Mittelzentren Zeitz, Weißenfels sowie Naumburg und Umgebung. Insgesamt sind rund 170 Busse im Einsatz, die pro Jahr etwa 5,4 Millionen Fahrgäste befördern und dabei etwa sechs Millionen Kilometer zurücklegen. Die PVG ist Gesellschafter im MDV und in allen Bussen gilt das 1-Ticket-Prinzip des Verbundes.
Bildquelle: Christian Hüller
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