Unterwegs in Köthen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld
23. Mai 2022 | Lesezeit: ca. 8 Minute(n)In unserer neuen Serie stellen wir verschiedene Städte aus dem MDV-Gebiet vor. Dafür setzen sich unsere Autoren in Bus oder Bahn, machen sich ein lebensnahes Bild der Stadt und geben Tipps für alle, die auch einmal dorthin fahren möchten. Für die zweite Folge besuchen wir Köthen, eine Stadt mit 26.000 Einwohnern (Stand Dezember 2021). Die Wiege der Homöopathie und eine bedeutende Wirkstätte von Johann Sebastian Bach liegt südlich von Magdeburg und nördlich von Halle im Schwarzerdegebiet der Magdeburger Börde. Besondere Bekanntheit hat das Schloss Köthen mit einer Bach-Dauerausstellung erlangt.
Seit Dezember 2019 ist Köthen Teil des MDV-Nord-Gebietes. Das bedeutet, für Zugfahrten in Köthen und im gesamten Landkreis Anhalt-Bitterfeld gilt der MDV-Tarif. Den Bahnhof Köthen erreicht man bequem aus Halle mit dem RE 30 sowie aus Leipzig mit dem RE 13 bis Dessau und weiter mit RB 50 nach Köthen.
Ankunft am Bahnhof Köthen
Bei der Ankunft in Köthens Bahnhof fühlt man sich wie auf einer kleinen Zeitreise. Zumindest, wenn man nach dem Ausstieg aus dem Zug den Blick nach oben richtet: Die alte Holzdecke der Überdachung hat die Zeit seit dem Bahnhofsbau um den Ersten Weltkrieg herum überdauert – wenn auch mit sichtbaren Gebrauchsspuren.
Lässt man den Blick über den Bahnsteig schweifen, finden sich weitere historische Kleinode: Über 100 Jahre alte Bänke aus massivem Holz etwa, zu denen wir später noch Interessantes erfahren werden. Erst einmal geht es die Treppe hinunter, raus aus dem Bahnhof, wo ein lauschiger Vorplatz mit Bäumen und Springbrunnen verrät: Hier geht es behaglich zu. Georg Heeg, Stadtratsvorsitzender und begeisterter ÖPNV-Anhänger, empfängt uns vor dem Bahnhof und führt uns zu einer Sehenswürdigkeit, die bereits in Sichtweite ist.
Berlin-Halberstädter Bahnhof
Der zweistöckige ehemalige Bahnhof wurde 2019 von der Deutschen Bahn versteigert, mehr als 100 Jahre nach Einstellung des Betriebs, was bereits 1917 geschah. Seitdem wurde das Gebäude nicht mehr für den Bahnverkehr genutzt, bis in die 1980er Jahre befanden sich darin Wohnungen, anschließend stand es leer. Heute ist Samstag, wochentags wird hier fleißig umgebaut, wie die Zementsäcke, Paletten und Eisenstangen vor dem Gebäude vermuten lassen. Hier soll ein Pflegeheim für ältere Menschen entstehen. Wir finden: Es lohnt sich, einen gemütlichen Spaziergang um das ehemalige Bahnhofsgebäude zu machen, um einen Eindruck von der spannenden Architektur zu bekommen.
Weiter zur Innenstadt
Zu Fuß geht es in die nur zehn Minuten entfernte Innenstadt, vorbei am imposanten Bau der Kastanienschule, weiter die Friedrichstraße entlang, die zwar deutlich kleiner als ihr Berliner Namensvetter ist, aber sehr schöne Ecken wie den Friedrichsplatz oder den kleinen Imbiss Fliegerecke zu bieten hat.
Im Stadtkern angekommen, überrascht dieser mit einer Gemütlichkeit, die Besucher*innen bereits am Köthener Bahnhof kennengelernt haben. Die Sonne scheint vom strahlend blauen Himmel, bestes Ausgehwetter. Doch Gewusel gibt es nicht, was sicherlich daran liegt, dass die hier ansässigen Geschäfte samstags geschlossen haben.
"Der alte Stadtkern wurde in den vergangen 30 Jahren sehr schön saniert, das Gebiet zwischen Innenstadt und Bahnhof ist noch nicht besonders entwickelt", sagt Heeg. "In der zukünftigen Stadtentwicklung soll es auch hergerichtet werden."
Während Heeg erzählt, lockt der Geruch von frischem Bauernfrühstück aus dem nahe gelegenen Restaurant Stadtscheune. Lecker sieht das aus! Oder darf es doch ein Eis sein? Um die Ecke hat eine kleine Eisdiele geöffnet – die ideale Erfrischung an einem warmen Frühlingstag. Wir entscheiden uns für beides.
Bachdenkmal
Mit Bauernfrühstück und Eis gestärkt geht es nun durch die Schulstraße, die von Häusern aus der Barockzeit gesäumt ist. Da es sich um eine Spielstraße handelt, ist es hier angenehm ruhig und friedlich. Wieder entsteht angesichts der malerischen Häuserfassaden und kleinen Fensterlädchen der Eindruck, als wäre die Zeit stehen geblieben. In der Nähe des Bachdenkmals, unweit der Fasanerie, wohnt Georg Heeg. Er lädt uns zu einer Tasse Kaffee ein, um über seine Wahlheimat Köthen zu erzählen, in der er seit 1999 lebt.
Wenn Heeg über Köthen spricht, leuchten seine Augen mit dem Feuer des Kamins im Wohnzimmer um die Wette. "Das Besondere an Köthen", erzählt er, während das Holz im Kamin knistert, "ist, dass die Stadt nie zerstört wurde, auch im Dreißigjährigen Krieg nicht."
Das Bänkefest steht kurz bevor
Eine Sache wurde jedoch vor kurzem zerstört: eine der über 100 Jahre alten, mehrere Tonnen schweren Sitzbänke auf dem Köthener Bahnhof, die uns schon bei der Ankunft aufgefallen waren. Brandstiftung, November 2020, Täter und Motiv sind bis heute unbekannt. Doch Heeg rettete die Überreste und baute eine neue Sitzbank nach Originalvorbild, zusammen mit zwei Tischlern.
Wir folgen dem Unternehmer und Politiker in den Garten, wo die Reste der alten Bank stehen, dann in die Werkstatt zum neuen, fast fertigen Unikat.
Viel Zeit bleibt nicht mehr: Bis zum Köthener Bänkefest am 11. Juni muss sie fertig sein. Vielleicht ist das der Grund, weshalb uns der Vorsitzende des Stadtrates nun verabschiedet. Auch wir treten nun langsam mit unserem MDV-Ticket die Rückfahrt nach Leipzig mit Umstieg in Dessau-Roßlau an, mit dem Gefühl, dass unser heutiger Besuch definitiv nicht der letzte in dieser geschichtsträchtigen, schönen Stadt war.
Destinationen in Köthen
Historische Gebäude: Schloss Köthen
Einst noble Residenz, heute eine historische Sehenswürdigkeit.
Das heute prachtvolle Schloss Köthen ging aus einer Burganlage hervor. Die Grundsteinlegung erfolgte 1115 zur Verteidigung gegen einen elbslawischen Überfall. Im 15. Jahrhundert war das Schloss die Dauerresidenz von Adeligen, bevor es beim Brand 1547 bis auf den nördlichen Westflügel zerstört wurde.
Es folgte der Wiederaufbau. In den darauffolgenden zwei Jahrhunderten bestand das selbstständige Fürsten- und Herzogtum Anhalt-Köthen und das Schloss beherbergte erneut die Mächtigen.
Seit 1997 gehört das Schloss zur Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und ist über Köthens Stadtgrenzen hinaus als kulturelles Zentrum sowie als Wirkstätte des Komponisten Johann Sebastian Bach bekannt, der hier von 1717 bis 1723 lebte und arbeitete. Neben einem Veranstaltungszentrum und dem Stadtarchiv beherbergt das Schloss verschiedene Museen und Ausstellungen, darunter das Naumann-Museum, das Historische Museum, die Bach-Gedenkstätte sowie die Prähistorische Ausstellung und die Erlebniswelt Deutsche Sprache.
Ein Spaziergang in einem der schönsten Schlossparks rundet den Besuch des Schlosses ideal ab.
Museum: Historisches Museum und Bach-Gedenkstätte
Besucher*innen können im Historischen Museum den Ursprung der Homöopathie durch ihren Begründer Samuel Hahnemann entdecken und die Schlosskapelle erkunden. In den Räumen der Bach-Gedenkstätte lässt sich darüber hinaus eine Zeitreise durch das Leben am Schloss zu Zeiten des berühmten Komponisten Johann Sebastian Bach unternehmen. Empfehlenswert ist auch die ständige Ausstellung zur Fruchtbringenden Gesellschaft, der ersten und bis heute bedeutendsten Sprachgesellschaft Deutschlands, und ein Streifzug durch eine der regelmäßig wechselnden Sonderausstellungen.
Gastronomie: Brauhaus Köthen – deftig und lecker
Alle Stadtbummler*innen brauchen früher oder später eine Stärkung. Im Brauhaus Köthen wird jeder fündig! Das Brauhaus befindet sich in einem der ältesten Häuser der Stadt und ist so ein wahres Köthener Kulturgut. Inmitten der Altstadt am Holzmarkt gelegen, sind von hier aus sämtliche Ausflugsziele fußläufig erreichbar. Nach der Stärkung mit einem hausgebrauten Bier kann es also mit der Entdeckungstour in Köthen weitergehen.
Auf der Speisekarte stehen Spezialitäten aus der Region, darunter Köthener Bierfleisch, hausgemachte Topfsülze und wortwörtlich "Das Schnitzel zum Sattwerden". Vegetarische Gerichte wie Nudeln mit frischem Marktgemüse und wechselnde Monatskarten erweitern die kulinarische Vielfalt des Brauhauses.
Im Gastraum lässt sich der Blick auf die Jakobskirche und das Rathaus genießen, während an warmen Tagen der Biergarten im Innenhof bis zu 90 Besucher*innen zum Verweilen einlädt.
Wandertour: Tierpark Köthen
Eine Wanderung in und rund um den Tierpark Köthen ist Entspannung und Abenteuer in einem. Besucher*innen wird einiges geboten: Vom Alpensteinbock über das Bentheimer Landschwein bis zum Königsfasan, Mufflon, Nasenbären und Tiger gibt es im Park zahlreiche Vertreter aus der heimischen und der exotischen Tierwelt zu entdecken. Eines der vielen Highlights: In der begehbaren Amerikaanlage leben Alpakas, Maras und Nandus friedlich zusammen.
Der Tierpark-Imbiss lädt zu einer Stärkung ein, zum Beispiel mit einer Portion Pommes oder einer heißen Schokolade. In der Wildtier-Auffangstation finden Tiere ein Zuhause, die in der freien Natur nicht überleben würden, darunter zum Beispiel verletzte oder kranke Mauersegler, Haussperlinge, Ringeltauben und Co.
Wander- & Radtour: Seebad Edderitz
Wer sich Köthen auf der Karte anschaut, stellt schnell fest, dass die Stadt von Feldern und Natur umgeben ist. Köthens Umland eignet sich also ideal zum Wandern und Radfahren! Nicht nur im Sommer ein tolles Ausflugsziel ist das über ca. 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernte Seebad Edderitz mit seinem drei Kilometer langen, asphaltierten Rundwanderweg. Zu Fuß lässt sich der Rundwanderweg in einer Stunde bewältigen, noch schneller geht es mit dem Rad oder Inlineskates.
Rund um das Seebad gibt es eine Menge zu entdecken. Die Natur ist nicht nur reich an Flora und Fauna, in der Nähe gibt es auch einen Barfußpfad, ein Wassertretbecken, einen geologischen Steingarten und einen Rosengarten. Ein Tagesausflug lohnt sich!
Verbindungsauskünfte für Anreise mit Bus und Bahn nach Köthen sowie zu den einzelnen Köthener Destinationen gibt es ganz bequem über die App MOOVME.
Bildquelle: Texterkolonie
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