Bahnhofsservice Leipzig: Digitalisierung und vergessene Teddys
Was macht guten Service im ÖPNV aus?
4. März 2024 | Lesezeit: ca. 5 Minute(n)Die Zukunft der Mobilität hängt unmittelbar mit der Zukunft des Nahverkehrs zusammen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Regional- und Fernverkehr der Deutschen Bahn, der an den Bahnhöfen beginnt und endet. Damit die Fahrgäste immer wieder gerne in den Zug steigen, gibt es Menschen wie Sven Klaus, den Leiter des Bahnhofservices am Hauptbahnhof Leipzig. Wir sprachen mit ihm über Service in Zeiten der Digitalisierung, vergessene Teddybären und das erhebende Gefühl, wenn alle Rädchen ineinandergreifen.
Leipzig Hauptbahnhof, Gleis 14, 09:20 Uhr. Man sieht Sven Klaus schon von weitem am Ende des Gleises stehen. Mit seiner dunkelblauen Dienstkleidung und der roten Schildmütze wirkt er wie der Idealtyp des zugewandten Bahnmitarbeiters, der ruhig und freundlich all die großen und kleinen Fragen der Reisenden beantwortet und zugleich den Überblick behält. Wir gehen in sein Büro, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf die Bahnhofshalle hat. Herr Klaus zieht sein Walkie-Talkie aus der Gürtelschnalle und stellt es auf seinen Schreibtisch. Es wird sich während unseres Gesprächs mehrmals bemerkbar machen.
Herr Klaus, man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass Sie Ihren Aufgabenbereich immer voll im Blick haben, oder?
Ja, das kann man sagen. Von hier oben sieht man, was sich an den Gleisen und in der Halle so tut.
Wie ist Ihr Eindruck gerade?
Es sieht gut aus! An den Gleisen herrscht kein Hochbetrieb, an der DB-Information ist kein Gedränge, es gibt keinen Zugausfall, keiner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf dem Dienstplan stehen, ist krank. Es gibt keine Unregelmäßigkeit im Zugverkehr, die eine Lautsprecheransage oder einen Aushang nötig machen würde, es steht kein herrenloser Koffer herum und zerbrochene Flaschen sehe ich auch keine auf dem Bahnsteig liegen.
Sie können sich also entspannt zurücklehnen.
Nein, das kann ich nie! Es gibt immer etwas zu tun, auch wenn gerade alles rundläuft.
[Sven Klaus dreht sich um und nimmt ein Blatt mit einer eng bedruckten Tabelle von der Pinnwand hinter sich.]
Nehmen wir zum Beispiel diese Liste. Hier sind für den ganzen Tag Dutzende Namen, Gleisnummern und die Ankunfts- und Abfahrtszeiten von Personen aufgeführt, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Sie benutzen zum Beispiel einen Rollstuhl, sind schon etwas älter oder haben Kinderwagen dabei. All diese Personen benötigen unseren Mobilitätsservice. Das heißt, dass jeweils einer unserer Service-Mitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter diese Fahrgäste kostenfrei am Gleis abholt und an ein anderes Gleis bringt. Und das ist nur eine unserer Serviceleistungen.
Was gibt es noch?
Im Grunde geht es darum, dass unser Team, zu dem mit den Azubis über 30 Personen gehören, jeden Tag 18 Stunden präsent ist. Das bedeutet, dass wir an der DB-Information beraten und mit dem mobilen Service an den Zügen unterwegs sind. Das ist manchmal schon sehr aufwändig, weil der Leipziger Hauptbahnhof zwar einer der schönsten und kundenfreundlichsten Bahnhöfe Europas ist, aber eben auch einer mit einer sehr großen Fläche. Wir sind also ständig damit beschäftigt, unsere Gastgeberphilosophie umzusetzen und einen zukunftsorientierten Service anzubieten.
Was charakterisiert diesen zukunftsorientierten Service?
Allgemein gesagt, dass wir uns bei unseren Dienstplänen und Dienstleistungen passgenau nach den Bedürfnissen der Kunden und der jeweiligen Auslastung richten. Im Kleinen bedeutet das zum Beispiel, dass Kunden das Gepäckschließfach auch mit der EC-Karte bezahlen können oder dass wir die Ressourcen haben, unsere Kunden direkt anzusprechen, wenn wir den Eindruck haben, dass ihnen etwas unklar ist. Ein bisschen wie in einem guten Hotel also. Ich finde, es gibt da eine ganz einfache Gleichung: Entspannte Kunden = Entspannter Dienst.
Wie hat sich der Service in den letzten Jahren verändert?
Die Digitalisierung ist stark vorangeschritten. Im Leipziger Hauptbahnhof haben wir Fahrgastinformationsanlagen der neuesten Generation an den Gleisen installiert, die fast vollständig automatisiert funktionieren. Und in den Bahn-Apps gibt es heute viel mehr sinnvolle und kundenfreundliche Servicefunktionen. Beispielsweise kann man im DB-Navigator nicht nur Reisen planen und Fahrscheine für den Nah- und Fernverkehr sowie viele Verbünde kaufen, sondern sich auch in Echtzeit über etwaige Verspätungen und Verbindungsalternativen benachrichtigen lassen. Platzreservierung, Auslastungsanzeige und Wagenreihung sind für unsere Reisenden ebenso wichtige Informationen.
Was wird sich in Zukunft noch tun?
Der Umfang der Verkehrsangebote wird stark ausgebaut werden. Da geht es um Taktverdichtungen auf bestimmten Linien, natürlich erhöhte Kapazitäten und neue Verkehrsmodelle, beispielsweise On-Demand-Verkehre. Ich verfolge auch recht aufmerksam die Entwicklung der Tarifangebote des MDV, die für einzelne Zielgruppen interessant sind und die Nutzung des ÖPNV fördern.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit dem MDV aus?
Mit dem MDV arbeite ich tatsächlich schon seit seiner Gründung zusammen und besuche jedes Jahr mit meinen Teammitgliedern dessen Fortbildungsveranstaltungen. Ganz wichtig ist auch, dass wir die umfangreichen Kommunikationsmittel des MDV für unsere Kunden bereithalten, zum Beispiel in den Info-Vitrinen in den Verkehrsstationen und Kundencentern.
Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Dass kein Tag wie der andere ist und dass ich etwas bewirken kann. Wir im Service kommen immer wieder mit ganz verschiedenen Kundengruppen in Kontakt und haben den Ehrgeiz, für jedes Problem eine gute Lösung zu finden. Da gibt es etwa den älteren Herren, der wichtige Medikamente im Zug vergessen hat und für den wir alle Hebel in Bewegung setzen, damit der Zugbegleiter im bereits abgefahrenen Zug sie findet.
Oder den riesigen Plüschteddybären, der am Weihnachtstag in einem Schließfach liegengelassen wurde und nach dessen Besitzer wir suchen. Oder während der Flüchtlingsbewegung, wenn es darum ging, Zelte und warmes Essen für die Menschen zu organisieren, auch wenn eigentlich schon Dienstschluss ist. Das war für uns kein Service, sondern schlicht unsere menschliche Pflicht. Darüber hinaus liebe ich die ganz normalen Tage, wenn all die kleinen und großen Rädchen ineinandergreifen, die es braucht, damit Züge und Fahrgäste gut ankommen. Das ist ein erhebendes Gefühl für mich.
Vielen Dank für das spannende Interview!
Bildquellen:
Beitragsbild: Deutsche Bahn AG / Max Lautenschläger
S-Bahn im Citytunnel: Andreas Lander
DB-Information: Deutsche Bahn AG / Stefan Wildhirt
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