Werkstattbesuch bei der PVG: In der Zukunft angekommen
7. März 2024 | Lesezeit: ca. 6 Minute(n)In Zeitz hat die Personenverkehrsgesellschaft Burgenlandkreis (PVG) einen innovativen Betriebshof eröffnet. Das Herzstück: die Werkstatt. Ihr Leiter: Christopher Sieg. Der 36-Jährige mag Veränderungen.
Der Reifen da plus Felge? Zusammen 70 Kilogramm, schätzt Christopher Sieg. Für einen Radwechsel braucht es dann zwei Leute, oder? „Nö, nö, geht allein“, sagt der 36-Jährige. Erst müssen die fast faustgroßen Muttern ab. Sieg zeigt auf eine Reihe Schraubenschlüssel an der Wand, der kleinste unterarmlang, nicht gerade das feinste Besteck, schon klar, aber es braucht halt 650 Newtonmeter, um Muttern zu lösen. Ist das geschafft, kommt der eigentlich schwere Teil. Dafür dreht sich Sieg herum, geht leicht in die Hocke und drückt seinen Rücken gegen den Reifen, die Arme am Körper, die Hände nach hinten gerichtet. So greift er in die Felge und drückt die Knie durch. Auch wenn der Reifen, an dem er das gerade vormacht, fest am Bus montiert ist – viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorzustellen, wie er das hüfthohe Ungetüm jetzt wegtragen würde. Und draufmachen? Geht auch allein. „Aber da muss man schon ein bisschen präziser sein“, sagt Sieg und grinst.
Die neue PVG-Werkstatt: kleiner, aber effizienter
Christopher Sieg leitet eine der modernsten Buswerkstätten im MDV-Gebiet. Sie ist das Herzstück des Betriebshofs der Personenverkehrsgesellschaft Burgenlandkreis mbH am Standort Zeitz. Dieser wurde im Mai 2023 nach turbulenten Jahren neu eröffnet und ist innovativ und zukunftssicher. Photovoltaik auf dem Dach, Geothermie unter der Erde. Strom und Heizwärme wird seither nachhaltig gewonnen. So viel, dass es für den Eigenbedarf reicht.
Weitere spannende Hintergründe lesen Ihr im Artikel „Neuer Betriebshof in Zeitz – Nachhaltigkeit hat bei der PVG Vorfahrt“.
Auch die Werkstatt wurde komplett neu geplant und aufgebaut. Sie ist kleiner geworden, aber dafür effizienter und durchdachter. Es gibt jetzt zum Beispiel einen Dachstand. „Der macht uns die Arbeit viel leichter“, sagt Sieg. „Einfach nur ein paar Treppenstufen und schon steht man auf einem Busdach und kann arbeiten.“ Vorher ging das nur mit einer Leiter.
Auch die neue Prüfspur macht viel her, auf der jeder Bus vierteljährlich durch die Sicherheitsprüfung muss. Sieg sagt: „Da fährt die Abgasanlage jetzt auf einer Schiene mit, während der Bus die Stationen durchläuft – zum Beispiel den Bremsentest oder den Gelenkspieltester, wo geschaut wird, ob die Lenkstange ausgeschlagen ist.“ Insgesamt sei die Arbeit einfach viel komfortabler geworden. Mehr Licht, bessere Isolation, der ganze Raum heize sich längst nicht mehr so auf wie die alte Blechanlage.
Anpacken gehört dazu, auch über Kopf in der Grube
Früher waren es sieben, jetzt sind es vier Gruben, die sich durch den Boden der Werkstatt ziehen. Jede gut 20 Meter lang, etwa türbreit und tief genug, dass eine erwachsene Person unter dem Bus stehen und am Unterboden arbeiten kann. Weil es drei Gruben weniger sind als zuvor, ist es wichtig, sagt Sieg, dass es keinen Steher gibt. So nennt er Busse, die wegen eines technischen Defekts oder Schaden nicht mehr anspringen bzw. nicht mehr manövrierbar sind und deshalb eine ganze Grube blockieren. Es gibt Motoren, da braucht Sieg bis zu drei Tage, nur um sie auszubauen. Repariert hat er dann noch nichts.
Gerade gibt es zum Glück keinen Steher. Über den Gruben befinden sich zwei große weiße PVG-Busse mit kleineren Fehlern. Außerdem ein orangefarbener Gabelstapler und ein Kastenwagen. Bei beiden ist noch nicht ganz klar, was nicht passt. Und dann ist da noch ein silberner Kleinbus auf der Hebebühne. Routineuntersuchung.
Neben jedem Fahrzeug steht ein koffergroßer rollbarer Werkzeugschrank mit Schubladen, auf denen VOLVO, MAN, SCANIA und SETRA steht. In eine davon greift gerade Michael Schubert, der sich als Schubert-Michael vorstellt. Der Schubert-Michael arbeitet schon seit 1980 für die PVG. Er sagt, er hat hier seine Lehre gemacht und geht hier auch in Rente. Warum? Weil es einfach ein tolles Team ist und die Arbeit wirklich abwechslungsreich.
Er meint damit beispielsweise die modernen Diagnosemöglichkeiten: Gerade steht er mit einem Tablet neben der Fahrertür eines Busses, das er aus dem Werkzeugschrank gezogen hat, und verbindet es via Bluetooth mit dem Bordcomputer. Das Display zeigt an, dass es ein Problem mit der Motorreglung gibt. Zu viele Stickoxide. „Könnte am AdBlue liegen“, sagt Schubert. Das soll den Dieselmotor eigentlich sauberer machen. Aber wenn der AdBlue-Tank leer ist, geht das natürlich nicht. Der Tank ist am Busunterboden angebracht, deshalb kommt Michael Schubert da am besten von der Grube aus ran. Er legt das Tablet weg, holt eine Taschenlampe und steigt die Treppen hinab.
Wenn die E-Busse kommen, ist die Werkstatt bereit
Klassisch mit dem Maulschlüssel arbeiten oder einen Busreifen wuchten und danach mit dem Diagnosecomputer oder dem Multimeter auf Fehlersuche gehen – diese Bandbreite macht auch für Christopher Sieg den Reiz seiner Arbeit aus. Sieg arbeitet hier seit 2007, seinen Meister setzte er 2014 drauf. „Ich habe nie bereut, was ich gelernt habe“, sagt er. Schon bald könnte sein Alltag noch abwechslungsreicher werden. Wenn es neue E-Busse gibt. Noch repariert Sieg nur Dieselfahrzeuge. Alle Busse der PVG werden mit Diesel angetrieben. Bis vor zwei Jahren war das noch anders, da fuhren einige Fahrzeuge der Flotte mit Gas. 2021, nach rund zwei Jahrzehnten, erreichten sie aber ihr Kilometerlimit. Nicht schlimm, sagt Sieg heute, da war ständig was kaputt.
Um an einem E-Bus arbeiten zu dürfen, fehlt ihm noch die notwendige Weiterbildung. Die hat nur einer aus seinem achtköpfigen Team. Eine Hochvolt-Spezifizierung. Die ist heute Standard in der Ausbildung, aber die meisten aus Siegs Team haben noch klassisch Schlosser gelernt, als es die Mechatroniker-Ausbildung gar nicht gab.
„Wir haben da also auf jeden Fall Bedarf“, sagt Sieg, „und wir wollen auch bald loslegen.“ Bei dem Thema geht es nicht nur ums Know-how, sondern um die Sicherheit von allen. Sieg erklärt: „Der Akku hat permanent Strom gespeichert. Ich kann nicht einfach sagen: Der Akku ist leer und stellt keine Gefahr dar. Wenn ich an die Hochspannungsleitungen fasse, dann war‘s das. Da sind 400 oder 500 Volt drauf.“ Deswegen brauchen alle eine Schulung.
PVG: Bereit für weitere Veränderungen
Die Werkstatt ist jetzt schon bereit für Elektrobusse: Sie wurde zukunftssicher geplant und bietet beispielsweise dank dem Dachstand beste Voraussetzungen für die Arbeit an E-Bussen. Diese tragen ihre Akkus auf dem Dach, und das ist komfortabel erreichbar. Nur um die Busse zu laden, reicht die bisherige Photovoltaikanlage nicht aus. Aber auch dafür gibt es Gedankenspiele und eine unverbaute Dachfläche. Wenn die PVG schon innovative E-Busse anschafft, dann soll auch so viel Strom wie möglich selbst erzeugt werden. Sieg sagt: „Das ganze Thema kommt und ich freue mich auf die Veränderungen. Die müssen natürlich bei uns anfangen. Aber wir sind bereit.“
Informationen zur PVG
Die Personenverkehrsgesellschaft Burgenlandkreis mbH (PVG) ist ein kommunaler Mobilitätsdienstleister im öffentlichen Personennahverkehr. Rund 300 Menschen sind hier beschäftigt. Die PVG bedient die drei Mittelzentren Zeitz, Weißenfels sowie Naumburg und Umgebung. Insgesamt sind rund 170 Busse im Einsatz, die pro Jahr etwa 5,4 Millionen Fahrgäste befördern und dabei etwa sechs Millionen Kilometer zurücklegen. Die PVG ist Gesellschafter im MDV und in allen Bussen gilt das 1-Ticket-Prinzip des Verbundes.
Bildquelle: Christian Hüller
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